Die Regulierung einer Uhr
Was versteht man unter einer Regulierung?
Unter Regulierung versteht man die Feineinstellung und Verminderung der Gangabweichung einer Uhr.
Welche Möglichkeiten gibt es zur Regulierung?
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Abstimmung Materialien auf die Konstruktion (beim Hersteller)
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Generelle Wertigkeit der verwendeten Materialen (beim Hersteller)
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Fertigungstoleranzen (beim Hersteller)
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Art der Konstruktion (beim Hersteller)
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Verminderung des Isochronismusfehlers (siehe Punkte 1 bis 4)
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Auswuchten der Unruh (geschieht bereits beim Hersteller mittels Laser. Wenn notwendig, nachträgliches Auswuchten durch den Uhrmacher möglich)
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Einstellung des Schlüsselspiels (nur bei Uhren mit Spiralrücker)
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Einstellung der Schwingungsdauer der Unruh (schneller und langsamer stellen)
Bei Uhren mit Spiralschlüssel: Durch Verkürzen oder Verlängern der wirksamen Länge der Unruhspirale.
Bei Uhren mit rückerfreien Systemen: mittels Regulierschrauben am Unruhreif.
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Einstellung der Gangsymmetrie
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Einstellung der Hemmung
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Korrekte Lage der Unruhspirale
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Flachlage des Unruhreifs
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Richtiges Radial- und Axialspiel aller Werksteile
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Beseitigung von Verschleiß aller Werksteile
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Sauberkeit
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Richtige Schmierung
Wie wird Reguliert?
Es wird so sorgfältig wie möglich unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren reguliert.
Welche sind das?
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Federkraftkurve: Die Gangabweichung verändert sich je nachdem, wie stark die Antriebsfeder aufgezogen ist. Automatikuhren sind über den Tag
hinweg fast immer voll aufgezogen, während die Antriebsfeder einer Handaufzugsuhr kontinuierlich weiter abgespannt wird, bis sie wieder einmalig voll aufgezogen wird.
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Isochronismusfehler: Die Schwingungsdauer (Gangabweichung) ist je nach Amplitude unterschiedlich. Bei einem positiven Isochronismusfehler
gewinnt die Unruh bei abnehmender Amplitude an Vorlauf, bei einem negativen an Nachlauf. Dieser Fehler ist technisch bedingt und kann nur durch den Hersteller durch die Art und Qualität der
Konstruktion reduziert, aber nicht vollständig beseitigt werden. Auch zu berücksichtigen ist, dass nicht nur die Federkraftkurve, sondern auch der Unterschied zwischen flacher und hängender
Lage der Uhr die Amplitude verändert. Wenn der Isochronismusfehler so groß ist, dass eine richtige Regulierung nicht mehr möglich ist, kann ein erfahrener Uhrmacher mit ein paar Tricks
versuchen, diesem entgegenzuwirken. Gelingt keine sinnvolle Verbesserung, müssen die Unruh und gegebenenfalls Hemmungsteile ausgetauscht werden.
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Kraftübertragung: Im Laufwerk von Antrieb bis Hemmung ist die Kraftübertragung nicht immer Konstant, sondern schwankt. Folge:
Der momentane Gang und Amplitude verändert sich periodisch. Das ist normal und je nach Zustand und Fertigungstoleranz unterschiedlich
stark ausgeprägt.
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Antriebsverhältnisse: Die Antriebsverhältnisse der Unruh in Verbindung der Hemmung sind je nach Lage anders. Das bedeutet, dass
die Hemmung und Unruh unterschiedlich viel Kraft abgeben bzw. aufnehmen. In Zifferblatt oben ist das z.B. anders wie in Krone unten. Das resultiert aus unterschiedlichen Reibungs- und
Lagerspielverhältnissen der Bauteile.
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Abweichung der verschiedenen Lagen (Unwucht): Die Uhr läuft in jeder Lage unterschiedlich schnell. Die Schwingungsdauer in den hängenden
Lagen verändert sich nämlich auch durch eine Unwucht in der Unruh. Auch diese kann nicht vollständig beseitigt, sondern nur reduziert werden. Ist die Unwucht zu groß, muss der Uhrmacher
nachwuchten.
Bei der Regulierung muss ein guter Mittelwert gefunden werden, um die Unwucht auszugleichen.
Tragelagen: Zifferblatt oben, Krone unten, Krone links -
Uhr am linken Arm getragen.
Während des Tragens der Uhr haben KL und KU die größten Auswirkungen, im Durchschnitt 16 Stunden. Nachts spielen die Messwerte für ZO eine Rolle, im Schnitt 8
Stunden. Alle 3 Werte ergeben die theoretische durchschnittliche Abweichung in 24 Stunden.
Zifferblatt unten, Krone rechts, Krone oben sind letztendlich zu vernachlässigen, da sich die Uhr im Alltag nicht in diesen Lagen befindet. Dennoch sollte man sie
kontrollieren, um Fehler auszuschließen. Außerdem können diese Lagen für einen Test in der Werkstatt mit einbezogen werden.
Wenn die Uhr am rechten Arm getragen wird, verhält es sich bei den vertikalen Prüflagen genau anders herum. KU, KL und KO, KR sind vertauscht.
Weitere Faktoren, die erfahrungsgemäß bei der Regulierung mit einbezogen werden:
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Temperaturveränderungen
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Erschütterungen
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Tragegewohnheiten des Trägers
Alle genannten Faktoren müssen bei der Regulierung berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden.
Beispiele für eine Regulierung:
Beispiel 1: Theoretischer Durchschnittswert +6s/24h ➔ in der Realität getragen: +2s/24h Sekunden ✓
➔ Richtig reguliert.
Beispiel 1: Theoretischer Durchschnittswert +1s/24h ➔ in der Realität getragen: -3s/24h Sekunden ✖
➔ Zu knapp reguliert.
Zusammengefasst
Die Einstellung der Gangabweichung in der Werkstatt ist eine Momentaufnahme. Die erfassten Messwerte werden in der Realität abweichen. Dies variiert auch von einer
Person zur anderen und von einem Tag zum nächsten, selbst bei ein und derselben Person. Allerdings wird immer so reguliert, dass die Uhr nicht zum Nachgang neigt. Sollte dies trotzdem der Fall
sein, dann ist eine Nachregulierung jederzeit möglich.
Wie genau eine Uhr reguliert werden kann, hängt von ihrer Qualität, den Fertigungstoleranzen, dem Alter und dem Zustand der
Werksteile ab. Eine Uhr mit Schweizer Ankerhemmung von sehr guter Qualität und im einwandfreien Zustand kann eine Gangabweichung innerhalb von 10
Sekunden pro Tag erreichen. Bei normaler Qualität sind es 20 Sekunden und bei einfachen Uhren können es 30 Sekunden sein.
Gangprotokoll Begriffserklärung
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Gangprotokoll: Die erfassten Messwerte des Uhrwerks zum Zeitpunkt der Ablesung.
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Kaliber: Bezeichnung des Uhrwerks.
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Sz/h: Sollschlagzahl pro Stunde. Wird als Bezugspunkt für die Gangmessung verwendet.
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Hw: Hebungswinkel. Beschreibt Beginn und Ende der Hebung, bei der die Hemmung die Kraft vom Räderwerk auf die Unruh überträgt. Wird für
die richtige Amplitudenberechnung benötigt.
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Gang [s/d]: Aktuelle Abweichung zum Zeitpunkt der Messung (Sekunden in 24 Stunden).
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Sym [ms]: Sym bezeichnet die Gangsymmetrie der Unruh (Millisekunden).
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Ampl [°]: Die Amplitude bezeichnet die Schwingungsweite der Unruh (Grad).
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ZO, ZU, KU, KL, KO, KR: Bezeichnen die Prüflagen auf der Zeitwaage. Diese sind deutsche Abkürzungen und bedeuten:
ZO = "Zifferblatt oben" = Zifferblatt zeigt nach oben.
ZU = "Zifferblatt unten" = Zifferblatt zeigt nach unten.
KU = "Krone unten" = Krone zeigt nach unten.
KL = "Krone links" = Krone zeigt nach links.
KO = "Krone oben" = Krone zeigt nach oben.
KR = "Krone rechts" = Krone zeigt nach rechts.
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⌀ alle
Lagen: Bezeichnet den Durchschnittswert aller 6 Prüflagen.
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⌀ ZO/KU/KL: Bezeichnet
den Durchschnittswert der 3 relevanten Prüflagen (Tragelagen am Arm + Nachtablage).
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Zusatzfunktionen ausgeschaltet: Während der Gangprüfung sind eventuelle Funktionen, wie
zum Beispiel ein Chronograph, ausgeschaltet. Außerdem sollte sich das Uhrwerk nicht in der Datumschaltung befinden, da diese Funktionen zusätzliche Kraft benötigen und die Messung verfälschen
würden.
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VA -30min: Vollaufzug minus 30 Minuten, Nachdem die Uhr voll aufgezogen wurde, wird erst gemessen, nachdem die Uhr schon 30 Minuten
gelaufen ist. Damit wird die Kraftspitze der Antriebsfeder in den ersten 30 Minuten ausgeblendet und nicht in der Gangmessung mit einbezogen. Die Federkraftkurve der Antriebsfeder
ist nämlich erst danach "konstant". Das bedeutet, dass die Messwerte im Gangprotokoll so unverfälscht dargestellt werden.
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Int.Zeit 60s: Integrationszeit je Prüflage, Der Durchschnittswert von Gang und Amplitude wird über 60 Sekunden genommen.
Schwankende Antriebskräfte im Laufwerk (vom Sekundenrad bis zum Hemmrad) werden dadurch besser mit einberechnet.
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Ermittelte Gangreserve: Reicht von Vollaufzug bis zum Stillstand der Uhr ohne zwischenzeitliches Aufziehen.